Demonstrationen - Ein lange Zeit unbekanntes Phänomen in der "Demokratischen Volksrepublik" DDR. Wozu auch demonstrieren, wenn die Macht ja sowieso beim Volk liegt! Und alles Kapital volkseigen ist! Mehr Demokratie geht doch gar nicht!
Im Gegensatz zu den Montags-Demos in Leipzig fanden in Plauen die meisten Demos samstags statt. Die Plauener Demonstration am 7. Oktober 1989 war mit 15 000 Menschen sogar die erste dieser Größe in der DDR, die am gleichen Tag in Berlin den 40. Jahrestag ihrer Gründung feierte, noch vor den ersten Demonstrationen in Leipzig.
Demonstrationen in Plauen 1989
Während vorhergehende Demonstrationen, auch in Leipzig, Dresden, Jena, Magdeburg, Ilmenau, Arnstadt, Karl-Marx-Stadt und Potsdam, von der Polizei aufgelöst wurden, war es an diesem Tag für die Polizeiführer schwierig, zu entscheiden, welche Menschen eigentlich zur DDR-Jubiläumsfeier wollten, oder zur Freiheits-Demo. Erst nachts um 24.00 Uhr, nach dem Ende des Jubiläums-Tages, schlugen die Polizeien los und beendeten überall in der DDR gewaltsam die Demonstrationen.
Nur in Plauen im Vogtland blieb es relativ friedlich, was in erster Linie dem Plauener Pfarrer und Superintendenten Thomas Küttler und der Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Dr. Martin zu verdanken ist. Deshalb war dies die erste Großdemo der DDR, die nicht aufgelöst werden konnte. Die Bilder oben stammen von einer späteren Demo in Plauen.
Was als Bewegung zu mehr Demokratie, Freiheit und besseren Lebensverhältnissen begann, mündete schließlich in der
Wiedervereinigung.
Wer hätte das gedacht!
Grenzöffnung
Plötzlich füllten sich die Straßen entlang der Grenze mit Trabis, Ladas und anderen Gefährten. Straßen, die außer geländegängigen Fahrzeugen des Bundesgrenzschutzes (BGS), des Zolls, der Bayerischen Grenzpolizei, der amerikanischen Besatzungstruppen und der Traktoren einiger Bauern seit vielen Jahrzehnten kaum Autos gesehen hatten und in entsprechend schlechtem Zustand waren.
Geöffnete Grenze bei Ullitz Ende 1989
Feier zur Grenzöffnung in Mödlareuth
Halbfertige Autobahn Hof - Plauen Ende 1989
Grenzöffnung Blechschmidtenhammer und Blankenstein
Mit dem Bau der Autobahn Hof - Plauen, der heutigen A 72, wurde 1938 als Reichsautobahn begonnen. Zur Grenzöffnung war sie kaum halb fertiggestellt und in den Jahrzehnten, in denen der Bau ruhte und kein Verkehr floss, litt der Fahrbahnbelag. Von der Autobahnbrücke über die Weiße Elster bei Pirk standen gerade mal die Pfeiler aus Granitsteinen. Bis zur Fertigstellung sollte es 1993 werden. Der Verkehr musste sich bis dahin über ein schmales Sträßchen durch das Tal quälen.
Der
Grenzbeobachtungsturm
in Blankenstein
wurde im Herbst 1989 umgeworfen.
Wo vor und während der Teilung Straßen unterbrochen und Brücken gesprengt wurden, baute man noch im Winter 1989/90 Behelfsbrücken und -wege, die heute natürlich durch bessere Verkehrswege ersetzt sind. Hier z.B. an der Krötenmühle bei Bad Steben und von Untertiefengrün nach Hirschberg mit seiner Lederfabrik.
Die Grenzanlagen der DDR, einst unerreichbar und gefährlich, wurden über Nacht zum touristischen Ziel der Menschen aus Ost und West. Hier meine Tochter, Janis Purucker, vor einem Beobachtungsturm zwischen Sachsgrün und Posseck.
Einfach querfeldein zu gehen war noch nicht völlig ungefährlich, da bei der Minenräumung in den 70er Jahren nicht alle vergrabenen Minen wiedergefunden wurden. Erst nach und nach wurde der Grenzstreifen von Minen geräumt.
Verkündung der Grenzöffnung
Was wir nicht vergessen dürfen:
Dass die Wiedervereinigung überhaupt stattfand, war nicht einfach eine "Entscheidung", die sich aufgrund einer rationalen kausalen Entwicklung ergab. Sie war auch das Ergebnis vieler, auch kleiner, wie zufällig anmutender Ereignisse. Nicht nur die Bekanntgabe der Sensation anlässlich einer Pressekonferenz, bei der sich am 9. November 1989 Günter Schabowski beim Vorlesen offenbar selbst wunderte, was er da sagte, nein, es waren viele kleine Bausteine, die schließlich diese Entwicklung ergaben. Man mag es "Entwicklung" nennen, aber auch der Zufall hatte in vieler Hinsicht seine Hand im Spiel. Je nach Gesinnung mag man diese Zufälle auch Schicksal oder göttliche Fügung nennen.
Bekanntgabe der Grenzöffnung durch Günter Schabowski
Ein Beispiel: Was hätte passieren können, wäre der als Kremlflieger bekannt gewordene Mathias Rust am 28. Mai 1987 nicht auf dem Roten Platz in Moskau gelandet? Das hat nichts mit der Wiedervereinigung zu tun? Das hatte nur Symbolcharakter?
Nein! Aufgrund dieses Jugendstreiches wurden 2000 Führungspersonen des sowjetischen Militärs entlassen, einige brachten sich um. Viele davon waren Gegner des Michail Gorbatschow mit seiner Politik der Perestroika (Umbau) und Glasnost (Offenheit). Ein Staatsstreich oder ein Militärputsch lag durchaus im Bereich des Möglichen. Dieses an sich nebensächliche Vorkommnis war für Gorbatschow die Möglichkeit, die obersten Posten des Militärs bis hin zum Verteidigungsminister mit ihm genehmen Leuten zu besetzen. Und ohne Michail Gorbatschow, statt dessen mit einer konservativen, vielleicht sogar militärischen Regierung hätte es auf absehbare Zeit keine deutsche Wiedervereinigung gegeben!
Während man als Ossi ab der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 spontan und ohne Visum in die Bundesrepublik Deutschland reisen konnte, brauchten wir Wessis noch immer ein Visum zur Einreise. Erst ab Heiligabend, dem 24. Dezember 1989, entfiel auch für uns die Visumspflicht, der Zwangsumtausch und die Durchsuchungen an der Grenze.
Wenn man danach als Wessi in die DDR einreiste, bekam man nur noch die typischen zweifarbigen Einreisestempel in den Pass. Rechts in meinem Reisepass und dem Kinderausweis meiner Tochter. Wenn ich sie richtig interpretiere, müsste die Null das Jahr 1990 bezeichnen, also waren die Einreisen über die Grenzübergänge Hirschberg, Ullitz/Blosenberg und Plauen im Februar 1990. Die ersten drei Ziffern des Jahres wurden im Stempel weggelassen.
Sozialismus und Karl Marx
Auch Jahrzehnte später verhöhnen manche die Wiedervereinigung als "Anschluss der DDR an die BRD, als Ost-Erweiterung der BRD und der Nato", je nach Kontext scherzhaft, provozierend, resignierend oder gar bitterböse. Auch wenn es faktisch tatsächlich so ähnlich ist, sollte man berücksichtigen, was die Alternative gewesen wäre, hätten Helmut Kohl, Hans-Dietrich Genscher und Michail Gorbatschow nicht so schnell und entschlossen gehandelt. Eine Zwei-Staaten-Lösung?
Auch wenn viele recht haben, die fordern, Deutschland täte etwas mehr Sozialismus gut, muss man sehen, dass die Philosophie von Karl Marx auf dem Papier zwar gut aussieht, was Marx schrieb, sagte in anderer Form sogar Jesus, aber die Menschen scheinen dafür nicht gemacht zu sein. Egoismus, gelenkt durch soziale Komponenten, ist wie Mutation und Selektion der Motor unseres Lebens und der Evolution. Schaltet man das alles aus und ersetzt es durch Gleichmacherei und Volkseigentum, kann das nicht nur Stillstand, sondern auch Degeneration bedeuten, abgesehen davon, dass sich ein Kommunismus offenbar nicht ohne Einschränkung der Freiheit, starke Repressionen und Geheimdienste wie die Stasi durchsetzen lässt.
Hof - Das Tor zur Freiheit: Die deutsch-deutsche Grenze in der Region Hof von Alfred Eiber
Eine Zeitreise durch die jüngste deutsche Geschichte von 1945 - 1990. Es werden besondere Situationen der Stadt und des Landkreises Hof in Erinnerung gerufen. Viele, welche die Region Hof besuchen, können sich nicht mehr an den eisernen Vorhang und die friedliche Wiedervereinigung 1989 erinnern. Vor allem Hof an der Saale war durch seine zentrale Lage mitten in Deutschland und unweit der deutsch-deutschen Grenze von der jüngsten deutschen Geschichte ganz besonders betroffen. Hof war für Millionen von Vertriebenen, Heimkehrern und Flüchtlingen das Tor zum Westen, das Tor zur Freiheit.
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