Der Mensch, verstoßen aus dem Paradies
Was ist das für eine seltsame Geschichte, von Adam und Eva, die im Paradies lebten und schließlich verstoßen wurden, aus dem Garten Eden, nur weil sie eine verbotene Frucht gegessen hatten. Man kann den Bericht natürlich wörtlich nehmen, von einem großen Garten, vielleicht im Zweistromland Mesopotamien oder im Fruchtbaren Halbmond, in dem die Menschen wie in einem Schlaraffenland lebten.
Die Handlung ist aber symbolisch gemeint, bewusst oder unbewusst. Was war denn das für ein Baum, an dem diese Frucht wuchs? Es war der
Baum der Erkenntnis von Gut und Böse
. Als die Menschen noch als Jäger und Sammler durch die Lande streiften, fühlten sie sich nicht schuldig, wenn sie einem anderen etwas wegnahmen, ihn vertrieben oder ihn sogar umbrachten. Wer sich durchsetzen konnte, nahm sich was er wollte, das Recht des Stärkeren eben. Der Motor der Evolution: Mutation und Selektion, das Überleben und die Fortpflanzung des Stärkeren, des Besseren und zunehmend auch des Schlaueren, soziales Verhalten nur, wenn es einem selbst Vorteile brachte, oder der eigenen Sippe, welche das Erbgut weitertrug. Ein schlechtes Gewissen gab es damals noch nicht.
Das änderte sich mit der
Sesshaftwerdung der Menschen
nach dem Ende der letzten Eiszeit. Aus Jägern und Sammlern wurden Ackerbauern und Viehhalter. Die
Neolithische Revolution war eine allmähliche Umstellung der Lebensweise, 10 000 bis 7000 Jahre vor Christus. Zum Kampf um Nahrung und ums Überleben gegen die anderen kam der Kampf um Land und Eigentum einer Sippe. Durch die sprachliche Entwicklung waren Übereinkünfte möglich und wer dagegen verstieß, fühlte sich schuldig. In dieser Zeit entstand
die Schuld, symbolisch dargestellt durch den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse,
verstoßen aus dem paradiesischen Land der generellen Schuldunfähigkeit.
Das Paradies
vor diesem Umschwung der Neolithischen Revolution hieß also nicht so, weil es dort keine Bösen Menschen gab, sondern weil sie sich nicht böse oder schuldig fühlten, egal was sie machten. Der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse war noch nicht gewachsen. Diese Weiterentwicklung machte aus den Menschen zivilisierte Wesen, die sich Regeln geben und die bestrafen, welche die Regeln brechen. Das rief auch die Religionen auf den Plan, relativ spät die Kirche. Sie erkannte ihre Chance mit einem Angebot: Ihr seid alle Sünder, kommt zu uns und bringt am besten Geld mit, denn wir haben das Monopol auf die Sündenvergebung, die Befreiung von
Schuld und schlechtem Gewissen. Machtpolitik mit Hilfe von Drohungen und der Angst vor dem Fegefeuer, fast zwei Jahrtausende lang.
Dabei wäre das Paradies eigentlich so nah. Es heißt Friedfertigkeit, so wie es uns Jesus vorgelebt hat. Aber wir Menschen sind nicht so, auch den friedlichen Jesus haben wir umgebracht.