Fotos und Informationen
aus Italien: Kampanien
Archäologischer Park
Paestum
Die griechisch-römische Ruinenstätte Paestum
Fährt man vom Golf von Neapel Richtung Süden über Salerno die Küste entlang, entflieht man der dicht besiedelten Metropolregion und erreicht durch herrliche ruhige Mittelmeerlandschaften den Ort
Capaccio, zu dem die antike Ruinenstätte Paestum gehört. Die Italiener schreiben es
Pestum. In einem grandiosen archäologischen Park liegen antike griechische und römische Bauwerke, die durchaus mit den berühmtesten der Welt mithalten können und es ist schade, dass Paestum bei Touristen relativ unbekannt ist. Da der Ort etwas abseits der ausgetretenen Reiserouten liegt, kann man in dem riesigen Areal in aller Ruhe einen schönen Tag genießen. Das antike Ensemble ist weitläufig und gepflegt, und nicht umsonst zählt es zum Weltkulturerbe der UNESCO. Auf dem
Satellitenbild hat man einen ungefähren Überblick. Wer Urlaub an der Algarve macht, für den lohnt sich ein Ausflug nach Paestum allemal.
Tempel der Athena (Athene)
Gleich am nördlichen Eingang, bei der
Porta Aurea, findet man den relativ kleinen Tempel der Athene oder Athena. Das Gebäude stammt von ca. 510 vor Christus und wurde größtenteils im dorischen Stil erbaut, enthält aber auch ionische Elemente. Athene war im antiken Griechenland die Göttin der Weisheit, des Kampfes, der Kunst und des Handwerks. Nach ihr wurde die
Stadt Athen benannt und die Athener wählten sie zu ihrer Schutzgöttin.
Zeus hatte einst seine Geliebte Metis mit zwei Kindern geschwängert. Da Uranos und Gaia dem Zeus prophezeit hatten, dass seine Töchter dem Göttervater ebenbürtig sein würden, ein Sohn ihn aber stürzen würde, verschlang er vorsorglich die Metis. Sie ist ihm allerdings nicht bekommen. Er bekam unerträgliche Kopfschmerzen und ließ sich von Hephaistos, dem Gott der Schmiede und des Feuers den Kopf zerschlagen. Daraus entsprang augenblicklich Athene als Kopfgeburt des Zeus und war deshalb intelligent und weise. Recht umgänglich scheint sie allerdings nicht gewesen zu sein, zum Beispiel verwandelte sie Arachne in eine Spinne, nur weil sie behauptete, die Göttin in der Webkunst zu übertreffen. Auch hatte sie nie einen Geliebten und blieb jungfräulich.
Die Lage von Paestum
Obwohl wir uns hier an der Westküste Italiens befinden, ist der Ort eine Gründung der
Griechen. Um 600 vor Christus nannten sie ihn
Poseidonia. Sie war eine sogenannte Pflanzstadt der griechischen Kolonie in Italien. An einer nordwestlich gelegenen Lagune gab es wahrscheinlich einen Hafen und der Boden hier war fruchtbar, so dass die Stadt aufblühte und sich diese großartigen Bauten leisten konnte. Östlich und südlich schützte sie das
Cilento-Gebirge und nördlich hielt der Fluss
Sele Feinde auf Abstand.
Die nördlichen Ausläufer des Cilento-Gebirges
Antike römische und griechische
Bauten und Anlagen
Griechen, Lukaner, Römer
Die wechselvolle Geschichte von Paestum spiegelt sich in den Bauten der verschiedenen Epochen wieder, erschließt sich einem aber oft nur mit entsprechendem Fachwissen, womit ich leider auch nicht dienen kann. Im Jahr 400 vor Christus eroberte ein Volk aus dem Süden die Stadt. Es kam aus dem Gebiet der heutigen Basilikata. Man nennt sie die
Lukaner (Lukanier). Unter ihrer Herrschaft änderte sich der Name der Stadt von Poseidonia in
Paistos. Im 3. Jahrhundert vor Christus eroberten die Römer Kampanien und machten die Stadt unter dem Namen Paestum zur römischen Colonia. Die Lukaner schlossen sich Rom an, wurden also romanisiert.
Wie stiefmütterlich diese Gegend im italienischen Tourismus behandelt wird, zeigt sich auch in Reiseführern und Fachbüchern. Während der Golf von Neapel und Pompeji oft viel Raum einnehmen, wird Paestum oft nur auf wenigen Seiten beschrieben:
Bücher und Reiseführer mit Paestum Fachbücher über Paestum
Verfallen, vergessen und wiederentdeckt
Nachdem ca. 500 nach Christus das Umland mehr und mehr versumpfte, wütete die Malaria in der Gegend und Paestum wurde verlassen. Der Urwald eroberte nach und nach die Stadt und die Tempel. In den folgenden Jahrhunderten verwüsteten die Sarazenen und danach die Normannen, was noch übrig war. Paestum geriet in Vergessenheit. Als im 18. Jahrhundert weiter im Norden
Pompeji und Herkulaneum wiederentdeckt wurden, fand man auch Paestum wieder und es gehörte zu den Bildungsreisen des gehobenen Bürgertums, die verfallene Stadt besucht zu haben. Und wie kann es anders sein, auch Johann Wolfgang von Goethe war schon da. 35 Jahre nach der Wiederentdeckung, am 23. März 1787 besuchte er es im Rahmen seiner Italienreise. In seinem Reisebericht, den er
Italienische Reise nannte, berichtet er von seinem Erstaunen über die großen länglich-viereckigen Massen, die er als Überbleibsel von Tempeln und Denkmalen einer ehemals so prächtigen Stadt beschrieb.
Ausgrabungen
Zwischen den großen Tempeln findet man die ausgegrabenen Grundmauern von Wohnhäusern und anderen Gebäuden und antike gepflasterte Straßen.
Antike gepflasterte Hauptstraße
Treppen, die ins Nichts führen und scheinbar sinnlose Wege, erinnerten mich an die
unmöglichen Treppenhäuser des Malers
M. C. Escher.
Atrium und Impluvium
Ein zentraler rechteckiger Innenraum eines altrömischen Hauses war das Atrium. Oft befand sich dort ein seichtes Wasserbecken, das Impluvium. Der Besitzer der Villa links konnte sich sogar ein solches Impluvium aus Marmor leisten, was sicher zu Representationszwecken gute Dienste leistete. Rechts ein anderes, von Säulen umgebenes Impluvium. Hier sieht man deutlich, dass man vom Atrium aus ringsum die Räume des Hauses erreichen konnte und umgekehrt.
Der Hera-Tempel, die Basilika
Die beiden beeindruckendsten Gebäude stehen gleich nebeneinander: Unten der griechische Hera-Tempel, der auch Basilika genannt wird und ca. 540 vor Christus erbaut wurde.
Der griechische Poseidontempel, römische Neptuntempel oder auch ein Hera-Tempel?
Gleich daneben steht der hundert Jahre später erbaute sogenannte Poseidontempel oder römisch Neptuntempel von dem man sich heute allerdings sicher ist, dass er nicht dem griechisch-römischen Meeresgott, sondern auch der Hera und vielleicht sogar Göttervater Zeus geweiht war. Beide bilden sie ein beeindruckendes wuchtiges Ensemble.
Der dorische Poseidon-Tempel (Neptun-Tempel) misst im Grundriss 25 mal 60 Meter und besitzt ringsum 36 Säulen. Im Gegensatz zum Hera-Tempel blieb auch der Giebel erhalten.
Vegetation
Bei unserem Besuch am 1. Juni war das Gelände noch grün und Wildblumen blühten. Die Temperatur war angenehm. Mag sein, dass sich dies im Lauf des Sommers ändert, die ganze Gegend wirkt allerdings fruchtbar und nicht ausgetrocknet. Das Umland wird landwirtschaftlich genutzt und im Osten und Süden erheben sich die nördlichen Ausläufer des Cilento-Gebirges.
Tiere im archäologischen Park
Auf dem Gelände habe ich auffallend viele Smaragdeidechsen gesehen. Sie sind nicht scheu und an die Besucher gewöhnt. Es müsste sich um die Westliche Smaragdeidechse (Lacerta bilineata) handeln.
Links handelt es sich um keine Rangelei oder einen ernsthaften Kampf um Rangordnung und Territorium, sondern ganz normales Paarungsverhalten.
Ein Turmfalken-Weibchen in den Ruinen wartet auf unvorsichtige Singvögel oder Kleinsäuger.
Mit den Römern zog auch eine moderne Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in Paestum ein. Aus den Ruinen ist nicht immer ersichtlich, wozu die Rinnen, Schächte und Durchlässe tatsächlich dienten. Besonders die Anlage auf dem Bild links gab mir Rätsel auf. Falls Sie die Funktion erklären können, wäre ich für eine E-Mail dankbar (
Kontakt).
Dorisches Säulengewirr im Neptuntempel (Poseidontempel) oder doch Hera oder Zeus-Tempel?
Griechisches Ekklesiasterion in Paestum
Was auf den ersten Blick mit seinen ansteigenden Sitzreihen wie ein Amphitheater aussieht, ist ein griechisches Ekklesiasterion aus der Zeit als Paestum noch Poseidonia hieß. Hier fand die Ekklesia, die demokatische Volksversammlung statt.
Römisches Comitium in Paestum
Das entsprechende römische Gegenstück zum griechischen Ekklesiasterion ist das Comitium aus dem 2. Jahrhundert vor Christus. Es ist größer, also war die Bevölkerungszahl inzwischen gewachsen. Die Römer haben das alte nicht ausgebaut oder erweitert, sondern ein neues gebaut. Hier fanden die gesetzgebenden Volksversammlungen (Comitia) statt.
Römisches Amphitheater in Paestum
Natürlich fehlt auch ein römisches Amphitheater nicht. Es stammt aus der Zeit der Caesaren, der römischen Kaiser, und wurde im 1. Jahrhundert nach Christus erbaut.
Bunte Flechten überziehen die steinernen Monumente und bringen neben den Wildblumen Farbe in die antiken Ruinen.
Was das war, darüber kann ich nur spekulieren. Auch wenn's für uns wie ein antikes Klo aussieht, hatte es wohl andere Funktionen.
Das Museum von Paestum
Der griechische Heros Herakles, den die Römer als Herkules kannten, tötet mit dem Schwert den Riesen Alcioneo, der mit seiner außerordentlichen Macht Thrakien in Griechenland terrorisiert, Ochsen und Tiere getötet hat. Eine Metope, ein Teil des dorischen Frieses am Hera-Heiligtum in Paestum, ausgeführt als Sandsteinschnitzerei, aus dem 6. Jahrhundert vor Christus.
Das Grab des Turmspringers (Grab des Tauchers)
Griechische Wandmalereien aus dem Grab des Turmspringers zeigen ein Symposium, wahrscheinlich das Totenbankett. Es handelt sich um griechische bemalte Kalksteinplatten aus dem 5. Jahrhundert vor Christus.
Das berühmteste Bild aus dem Grab des Turmspringers, nämlich die Szene, wo er gerade ins Wasser springt, ist einzigartig unter der altgriechischen antiken Malerei. Die Qualität der römischen Fresken in Pompeji oder Herkulaneum mag objektiv besser sein, aber die Bilder aus dem Grab des Turmspringers sind eben nicht römisch, sondern griechisch, und älter. Möglicherweise war diese griechische Kunst sogar Vorbild für die Malereien in Pompeji. Und keines dort zeigt einen Menschen in so aktiver, schneller und sportlicher Bewegung, nur in etruskischen Gräbern fand man ähnliche Sportszenen. Entstanden ist es im 5. Jahrhundert vor Christus. Entdeckt haben es italienische Archäologen im Jahr 1968. Sie nannten es zunächst
Das Grab des Tauchers, später wurde daraus
Das Grab des Turmspringers. Möglicherweise ist dieser Sprung von hohen Säulen ins Wasser aber auch symbolisch gemeint, als Todessymbol, ein Übergang vom irdischen Leben in den Tod oder ins Jenseits.
Soweit wir die Info-Tafeln verstanden haben, war im Juni 2016, als wir dort waren, nur eine Kopie des Turmspringers ausgestellt (Foto oben), das Original war verliehen. Ein paar Tage später fanden wir das Original im Archäologischen Nationalmuseum in Neapel:
Das Heroon von Paestum
Der Archäologe Pellegrino Claudio Sestieri entdeckte 1954 am Westrand von Paestum dieses Heroon, ein Heroengrab oder Heroen-Heiligtum (Heldengrab), und grub es aus. Im Innern fand er acht prunkvolle Bronze-Gefäße, die Honig enthielten. Wahrscheinlich stammt es aus dem 6. Jahrhundert vor Christus und ist das Grab des griechischen Gründers von Poseidonia.
Die Verzierungen an einem Bronze-Gefäß aus dem Heroon von Paestum erinnern mich an ähnliche Verzierungen, welche die
Kelten an ihren Gefäßen anbrachten. Von einem keltischen Einfluss auf diese Gegend hatte ich zwar noch nichts gehört, aber manche behaupten, dass die antiken Griechen einen großen Teil ihrer Kultur von den Kelten haben, dass die Mykener und die Dorer aus Mitteleuropa stammen sollen. Manche keltische und griechische Münzen ähneln sich ebenfalls.
Wie an vielen Plätzen auf der Welt findet man hier eine Malerei auf Terrakotta, die vor allem uns Deutsche an ein
Hakenkreuz erinnert. Dessen Ursprung liegt allerdings mehr im Sonnenrad, der Swastika. Eine Verbindung zum antiken Griechenland ist wohl eher unwahrscheinlich. Zwei auf solche Weise verschlungene Linien bieten sich als Ornament geradezu an, deshalb kann man durchaus davon ausgehen, dass diese Art der Verzierung unabhängig voneinander in verschiedenen Völkern entstand. Die vier hakenförmigen Linien kann man auch als vier große griechische Gamma ansehen, deshalb wurde es auch
Gammadion oder auf lateinisch
crux gammata genannt. Dieses Terrakotta-Fragment wurde hier in Paestum in einem Hera-Heiligtum gefunden und ist um die 2500 Jahre alt!
Im archäologischen Park von Paestum sind nur wenige kleine Bereiche aus Sicherheitsgründen abgesperrt. Ganz im Gegensatz zu Pompeji, wo ganze Bezirke wegen angeblicher "Bauarbeiten" nicht zugänglich sind. Denkt man an die Millionen Euro, die in Pompeji eingenommen werden und wahrscheinlich in dunklen Kanälen versickern, wird deutlich, wie gut dieser Park hier im Gegensatz dazu geführt wird. In Paestum kann man sich weitgehend ungehindert bewegen und sich alles in Ruhe anschauen, ohne Touristenmassen. Wandmalereien und Mosaike sind allerdings größtenteils abgenommen und im nahegelegenen Museum zu besichtigen. Durch die Weitläufigkeit des Geländes wären sie am Original-Ort auch kaum zu überwachen.
Im Vergleich zur Gegend um den Golf von Neapel mit seinen berühmten Sehenswürdigkeiten, seinem Rummel und der dichten Besiedelung ist die Gegend um Paestum und auch der archäologische Park selbst richtig erholsam. Trotzdem bekommt man hier antike Kunst ersten Ranges zu sehen.
Bücher über die klassische Antike